2019 Grüner Knollenblätterpilz
Seit 1994 wählt die Deutsche Gesellschaft für Mykologie alljährlich den „Pilz des Jahres“. Die präsentierte Art soll stellvertretend für alle Pilze den Blick der Öffentlichkeit auf die wichtige Bedeutung der Pilze für unser Ökosystem richten.
Besonders in unserer Zeit des Hightechs, aber auch der Umweltprobleme, wird es zunehmend nötiger, den Menschen wieder mehr in die Natur zurückzuführen. Es ist unerlässlich, ihm zu verdeutlichen, wie abhängig er von ökologischen Zusammenhängen ist. Oftmals glauben wir, ungestraft in den Haushalt der Natur eigennützig eingreifen zu dürfen. Doch die Natur wehrt sich noch und schlägt oft zurück, auch wenn ihr Widerstand stellenweise immer kraftloser zu werden scheint.
Grüner Knollenblätterpilz (Amanita Phalloides)
Die meisten tödlichen Pilzvergiftungen in Mitteluropa gehen auf den Grünen Knollenblätterpilz zurück. Schon der Verzehr von 50 Gramm eines Pilzfruchtkörpers kann tödlich enden. Denn die darin enthaltenen lebergiftigen Amatoxine verursachen ohne medizinische Versorgung ein mehrfaches Organversagen.
In Deutschland kommen aus der Gattung der Wulstlinge (Amanita) mehr als 50 Arten vor, wovon vier potenziell tödlich giftig sind. Fast alle Arten wachsen in Symbiose mit Bäumen in Wäldern und Parkanlagen. Die Fruchtkörper des Grünen Knollenblätterpilzes erscheinen zwischen Juli und Oktober, insbesondere in trockenen und warmen Sommern nach ergiebigen Regenfällen.
Giftwirkung bis zum Tod
Das Vergiftungsgeschehen verläuft in drei Phasen:
- Relativ langsam, 4–6–24 Stunden nach dem Verzehr, kommt es zu unstillbarem Erbrechen, choleraartigen Durchfällen, begleitet von heftigsten Leibschmerzen.
- Dieser gastrointestinalen Phase folgt einen trügerische Erholung von 2–4 Tagen.
- Danach treten die Folgen der zwischenzeitlich schwer geschädigten Leber in den Vordergrund: Gelbsucht, Leberschwellung und die Folgen der leberschädigungsbedingten Blutgerinnungsstörung mit Magen- und Darmblutungen.
Unbehandelt oder zu spät behandelt erfolgt der Tod zwischen dem 3. und 10. Tag im hepatischen Koma und/oder Multiorganversagen.
Die Hauptgifte des Grünen Knollenblätterpilzes sind hochtoxische Phallolysine und Amatoxine (Faulstich et al. 1974). Die Phallolysine spielen i. d. R. aufgrund ihrer Unbeständigkeit gegen Erhitzung für die Vergiftung keine Rolle. Dagegen sind die Amatoxine – bicyklische Oktapeptide – hitzestabil, überdauern also das Garen.
Hauptvertreter der Amatoxine und für die Vergiftung im Wesentlichen verantwortlich, ist das Alpha-Amanitin. Es blockiert die Transkription infolge Hemmung einer DNA-abhängigen Polymerase B. Dadurch fällt die Proteinsynthese in der Leberzelle aus und die Leberzellen kollabieren (Brodner & Wieland 1976)
Merkmale im Überblick
Der zunächst halbkugelige Hut schirmt bei Reife flach auf und erreicht einen Durchmesser von bis zu 12 cm. Er ist mehr oder weniger grün gefärbt, eingewachsen-radialfaserig und blasst zum Rand hin gerne aus. Die freien Lamellen auf der Hutunterseite und das Sporenpulver sind weißlich gefärbt. Am bis zu 10 cm langen und 2 cm dicken Stiel hängt ein flüchtiger weißer und oberseits geriefter Ring. Das weiße Stielfleisch ist brüchig und längsfaserig. Die knollige Basis steckt in einer lappigen und offen abstehenden Scheide. Markant ist ein angenehm süßlicher, an Kunsthonig bzw. Invertzuckercreme erinnernder Geruch.
Abgrenzung von Doppelgängern
Meist wird der Grüne Knollenblätterpilz mit essbaren Champignons oder grünen Täublingen verwechselt (Faulstich 1979). Durch die freien, weißen Lamellen unter dem Hut und die sackartig umhüllte, knollige Stielbasis ist Amanita phalloides aber gut zu erkennen. Doch die Basis kann in der Streu verborgen sein, weshalb man unbekannte und ähnliche Lamellenpilze aus dem Boden hebeln sollte, statt sie abzuschneiden. Wer sicher gehen will, lässt sein Sammelgut durch eine/n Pilzberater/in oder Pilzsachverständigen für den Verzehr freigeben.
Vorbeugung durch Pilzberatung
Erst 2015 gab es in Deutschland mehr als ein Dutzend schwerer Vergiftungsfälle, da vor allem unter Asylsuchenden nicht bekannt war, dass hierzulande solch ein gefährlicher Giftpilz vorkommt. Deshalb wird seit mehr als 100 Jahren in der Pilzberatung davor gewarnt, unbekannte bzw. nicht sicher als essbar bekannte Wildpilze zu essen. Schon bei geringsten Zweifeln sollte man auf die Mahlzeit verzichten. Stellen sich die Zweifel erst nach der Mahlzeit ein, ist der zeitnahe Kontakt einer Pilzberaterin bzw. eines Pilzberaters oder einer/s Pilzsachverständigen ratsam.
Seit mehr als 100 Jahren führen Pilzberater und Pilzsachverständige jedes Jahr tausende Beratungsgespräche, um Pilzfreundinnen und Pilzfreunde in Deutschland ihr Hobby zu fördern und sie vor Vergiftungen zu bewahren. Dabei arbeiten sie bundesweit mit den Giftzentralen zusammen.
Symbiosepartner von Pflanzen
Im Naturhaushalt sind Pilzarten wie der Grüne Knollenblätterpilz seit vielen Millionen Jahren wichtige Lebenspartner von Pflanzen und für gesunde, stabile Ökosysteme unverzichtbar. Sie vergrößern mit ihrem feinen Fadengeflecht, dem Myzel, die nutzbare Wurzeloberfläche um das 1.000-fache und liefern den Pflanzen Wasser und Nährstoffe im Austausch gegen Zuckerverbindungen.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Mykologie
Hier ein paar Fotos des Grünen Knollenblätterpilzes, von unseren vereinsmitgliedern augenommen: